München stimmt ab: "Olympia - Nein, Danke" oder Neuauflage der legendären Spiele?
Update: 2025-10-24
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SWR Aktuell: Wenn Sie sich die Stimmung gerade in München anschauen: Wird das am Sonntag eine knappe oder eine eindeutige Entscheidung?
Holger Gertz: Gefühlt würde ich sagen, es wird eine knappe Entscheidung. Tendenziell vielleicht diesmal eher pro Olympia, aber es wird sicherlich knapp werden.
SWR Aktuell: Welche Argumente pro Olympia führen denn die Befürworter, also offiziell die Stadt und auch der Freistaat Bayern an?
Gertz: Es sind verschiedene. Es ist gefühlt auch wieder wichtig, dass wir irgendwann mal wieder "dran" sind, dass Olympische Spiele auch wieder in Deutschland stattfinden sollten. Ein zweites Pro-Argument für München ist immer auch das Stadion. Wenn man in München ist, wenn man sich dort bewegt, dann ist natürlich der Olympiapark ein grandioses Bauwerk, das ist eine Oase in der Stadt, das ist wirklich bemerkenswert, dort hinzugehen. Das ist ein richtig schöner Platz.
Und es gab einen Kristallisationspunkt: Vor zwei Jahren gab es hier in München die European Games, das ist eine relativ große Sportveranstaltung, die ist unter anderem auch im Olympiapark und Olympiastadion ausgetragen worden. Da hat man gemerkt, wie viel Energie das Ganze immer noch hat. Und seitdem ist die Debatte, dass man sagt: Nachdem das Olympiastadion auch mit so viel Geld über den Stand gehalten worden ist all die Jahre, müsste das eigentlich noch mal wieder Schauplatz für so eine große Veranstaltung sein.
SWR Aktuell: Das heißt, man müsste dort nicht mehr alles neu bauen, man könnte auf die Infrastruktur von 1972 zurückgreifen. Das würde ja zum einen schon mal einen Kritikpunkt entkräften, der in den letzten Jahren immer wieder an Olympischen Spielen geäußert wurde, dass da Geld investiert wird für neue Sportstätten, die dann nicht genutzt werden. Welche Argumente haben denn die Kritiker?
Gertz: Jetzt ist das natürlich ein wichtiges Argument, das muss man klar sagen. Es ist tatsächlich viel da. Dagegen spricht auch einiges. Deswegen ist Olympia eine ambivalente Angelegenheit: Für alles, was man positiv findet, findet man auch etwas Negatives. Natürlich ist Olympia nicht besonders gut beleumundet, es gibt immer noch die Debatten um den Gigantismus, das kennen wir aus anderen Veranstaltungsorten, es gibt immer auch die Frage, wie viel Geld kostet es am Ende? Das weiß man natürlich nicht. Die Frage, wie viel Geld sahnt das IOC ab, wie viel muss die Gastgeberstadt tragen, wie viel Risiko, das weiß man auch so genau nicht, es gibt die berühmten Knebelverträge.
Es ist schwierig, das IOC steht natürlich insgesamt in einem schlechten Licht da. Es gibt andere Dinge, auch wenn man sich die Vergangenheit anschaut: eine große Nähe des früheren IOC-Chefs Thomas Bach zu Wladimir Putin, all dieses ist immer besprochen worden. Gerade in Deutschland gibt es natürlich auch eine sehr kritische Öffentlichkeit, das ist auch in Ordnung so. Und ein Aspekt, der vielleicht wichtig ist, was diesmal so ein bisschen ausfällt, ist natürlich die Klimapolitik – dass man sagt, bei Winterspielen ist auch immer das Argument gegen Olympia gewesen: Wir können nicht dem Alpenraum, der ohnehin schon ächzt und stöhnt unter dem Klimawandel, jetzt auch noch Olympische Spiele aufbürden. Das kann nicht sein, dass da noch Schneisen reingeschlagen werden. Dieses Argument gibt es natürlich bei Sommerspielen nicht, und deswegen würde ich sagen, wenn sich München weiter um Winterspiele bewerben würde – sie haben sich übrigens nicht nur 2018 beworben, sondern auch anfänglich 2022 – hätten sie keine Chance. Dass sie für Sommerspiele vielleicht eine Chance haben, also dass die Bewerbung auf den Weg gebracht wird, liegt daran, dass es Sommerspiele sind.
SWR Aktuell: Nun ist München ja im Moment nicht die einzige Stadt in Deutschland, die darüber nachdenkt, sich für Sommerspiele ab 2036 zu bewerben. Auch im Ruhrgebiet gibt es da schon relativ konkrete Pläne dafür. Macht das nicht insgesamt Olympia in Deutschland weniger wahrscheinlich, wenn sich da eine Region und eine Stadt streiten?
Gertz: Das wird man jetzt sehen, wie der Bewerbungsprozess weitergeht. Wir sind ja sowieso noch sehr am Anfang. Man darf auch nicht vergessen, was bedeutet das jetzt? Wir fragen uns jetzt, wer tritt an, wer geht die ersten Schritte hin zu Olympischen Spielen? Entschieden wird das dann ja sowieso in anderen Gremien. Das IOC entscheidet dann am Ende, wer was kriegt. Das ist auch wieder so ein Moment, wo man sich fragt, nach welchen Gesichtspunkten wird das überhaupt entschieden? Ich denke, dass sich dann irgendwann herauskristallisieren muss, dass es der deutsche Kandidat ist und dass es dann auch sozusagen so eine Bewegung gibt aus der Bevölkerung heraus, so eine Stimmung, so eine Pro-Olympia-Stimmung, auf die man so sehr wartet. München glaubt natürlich, das hat etwas mit dem Selbstbewusstsein Bayerns zu tun, dass München der richtige und einzig angemessene Ort ist, wo Olympische Spiele stattfinden können. Wie gesagt, es gibt Gründe dafür, das so zu sehen und es gibt immer auch Gründe, das kritisch zu sehen.
SWR Aktuell: Sie haben pro und contra Olympische Spiele in München und in Deutschland aufgezählt. Sie selbst berichten seit Jahren über das Thema Olympia. Wie sehen Sie es persönlich? Kann man das moralisch vertreten mit dem IOC, so wie es ist, Olympia in Deutschland?
Gertz: Es ist wahnsinnig schwierig. Wir können ja nicht immer uns darüber aufregen, dass die Spiele in Autokratien stattfinden und sonst wo – und wir selber werfen aber den Hut gar nicht mehr in den Ring. Das zweite ist, dass es so einen Impuls gibt auch für Sport in einer Gesellschaft. Das ist zum Beispiel 2012 in London so gewesen, da hat man gemerkt, dass bis heute diese Olympischen Spiele für den Breitensport relativ wichtig sind. Aber es gibt natürlich immer auch da wieder Gegenargumente, das ist die Kostenfrage, wir wissen noch gar nicht, was auf uns zukommt.
Ein Beispiel ist auch die Hoffnung, die man mit Olympia verbindet. Das ist 2024 so gewesen, in Paris. Da war es auch so, dass man gesagt hat, das ist für das zerklüftete Land Frankreich ja auch so ein Identifikationsmoment, dass man Olympische Spiele austrägt. Und dann haben wir 2024 die Spiele in Paris gesehen, wir erinnern uns alle noch an die Bilder, Céline Dion auf dem Eiffelturm.
Es waren wirklich fantastische Spiele, ich bin selbst dort gewesen. Und dann fragt man sich, was bleibt denn von Olympia? Hat das denn wirklich was gebracht für die Gesellschaft? Und dann stellt man fest, ein Jahr später: Nein, die Gesellschaft ist genauso gespalten. Die Nationalversammlung ist gespalten, da treten sich Kräfte gegenüber, die gar nicht mehr miteinander ins Gespräch gehen können.
Und die Idee, die jetzt auch wieder so ein bisschen mitschwingt bei München, dass man da auch die Menschen wieder zusammenbringt. Das ist, glaube ich, einfach zu viel. Das schafft Olympia nicht mehr. Da muss man sich fragen: Lohnt es sich, so viel aufzuwenden für letztlich zwei, drei Wochen Spaß und Party? Ist das in Ordnung, dass man so viel aufbringt? Auch da gibt es wieder positive und negative Stimmen.
Holger Gertz: Gefühlt würde ich sagen, es wird eine knappe Entscheidung. Tendenziell vielleicht diesmal eher pro Olympia, aber es wird sicherlich knapp werden.
Es ist gefühlt wichtig, dass wir irgendwann mal wieder "dran" sind.Quelle: SZ-Reporter Holger Gertz
SWR Aktuell: Welche Argumente pro Olympia führen denn die Befürworter, also offiziell die Stadt und auch der Freistaat Bayern an?
Gertz: Es sind verschiedene. Es ist gefühlt auch wieder wichtig, dass wir irgendwann mal wieder "dran" sind, dass Olympische Spiele auch wieder in Deutschland stattfinden sollten. Ein zweites Pro-Argument für München ist immer auch das Stadion. Wenn man in München ist, wenn man sich dort bewegt, dann ist natürlich der Olympiapark ein grandioses Bauwerk, das ist eine Oase in der Stadt, das ist wirklich bemerkenswert, dort hinzugehen. Das ist ein richtig schöner Platz.
Und es gab einen Kristallisationspunkt: Vor zwei Jahren gab es hier in München die European Games, das ist eine relativ große Sportveranstaltung, die ist unter anderem auch im Olympiapark und Olympiastadion ausgetragen worden. Da hat man gemerkt, wie viel Energie das Ganze immer noch hat. Und seitdem ist die Debatte, dass man sagt: Nachdem das Olympiastadion auch mit so viel Geld über den Stand gehalten worden ist all die Jahre, müsste das eigentlich noch mal wieder Schauplatz für so eine große Veranstaltung sein.
SWR Aktuell: Das heißt, man müsste dort nicht mehr alles neu bauen, man könnte auf die Infrastruktur von 1972 zurückgreifen. Das würde ja zum einen schon mal einen Kritikpunkt entkräften, der in den letzten Jahren immer wieder an Olympischen Spielen geäußert wurde, dass da Geld investiert wird für neue Sportstätten, die dann nicht genutzt werden. Welche Argumente haben denn die Kritiker?
Gertz: Jetzt ist das natürlich ein wichtiges Argument, das muss man klar sagen. Es ist tatsächlich viel da. Dagegen spricht auch einiges. Deswegen ist Olympia eine ambivalente Angelegenheit: Für alles, was man positiv findet, findet man auch etwas Negatives. Natürlich ist Olympia nicht besonders gut beleumundet, es gibt immer noch die Debatten um den Gigantismus, das kennen wir aus anderen Veranstaltungsorten, es gibt immer auch die Frage, wie viel Geld kostet es am Ende? Das weiß man natürlich nicht. Die Frage, wie viel Geld sahnt das IOC ab, wie viel muss die Gastgeberstadt tragen, wie viel Risiko, das weiß man auch so genau nicht, es gibt die berühmten Knebelverträge.
Es ist schwierig, das IOC steht natürlich insgesamt in einem schlechten Licht da. Es gibt andere Dinge, auch wenn man sich die Vergangenheit anschaut: eine große Nähe des früheren IOC-Chefs Thomas Bach zu Wladimir Putin, all dieses ist immer besprochen worden. Gerade in Deutschland gibt es natürlich auch eine sehr kritische Öffentlichkeit, das ist auch in Ordnung so. Und ein Aspekt, der vielleicht wichtig ist, was diesmal so ein bisschen ausfällt, ist natürlich die Klimapolitik – dass man sagt, bei Winterspielen ist auch immer das Argument gegen Olympia gewesen: Wir können nicht dem Alpenraum, der ohnehin schon ächzt und stöhnt unter dem Klimawandel, jetzt auch noch Olympische Spiele aufbürden. Das kann nicht sein, dass da noch Schneisen reingeschlagen werden. Dieses Argument gibt es natürlich bei Sommerspielen nicht, und deswegen würde ich sagen, wenn sich München weiter um Winterspiele bewerben würde – sie haben sich übrigens nicht nur 2018 beworben, sondern auch anfänglich 2022 – hätten sie keine Chance. Dass sie für Sommerspiele vielleicht eine Chance haben, also dass die Bewerbung auf den Weg gebracht wird, liegt daran, dass es Sommerspiele sind.
SWR Aktuell: Nun ist München ja im Moment nicht die einzige Stadt in Deutschland, die darüber nachdenkt, sich für Sommerspiele ab 2036 zu bewerben. Auch im Ruhrgebiet gibt es da schon relativ konkrete Pläne dafür. Macht das nicht insgesamt Olympia in Deutschland weniger wahrscheinlich, wenn sich da eine Region und eine Stadt streiten?
Gertz: Das wird man jetzt sehen, wie der Bewerbungsprozess weitergeht. Wir sind ja sowieso noch sehr am Anfang. Man darf auch nicht vergessen, was bedeutet das jetzt? Wir fragen uns jetzt, wer tritt an, wer geht die ersten Schritte hin zu Olympischen Spielen? Entschieden wird das dann ja sowieso in anderen Gremien. Das IOC entscheidet dann am Ende, wer was kriegt. Das ist auch wieder so ein Moment, wo man sich fragt, nach welchen Gesichtspunkten wird das überhaupt entschieden? Ich denke, dass sich dann irgendwann herauskristallisieren muss, dass es der deutsche Kandidat ist und dass es dann auch sozusagen so eine Bewegung gibt aus der Bevölkerung heraus, so eine Stimmung, so eine Pro-Olympia-Stimmung, auf die man so sehr wartet. München glaubt natürlich, das hat etwas mit dem Selbstbewusstsein Bayerns zu tun, dass München der richtige und einzig angemessene Ort ist, wo Olympische Spiele stattfinden können. Wie gesagt, es gibt Gründe dafür, das so zu sehen und es gibt immer auch Gründe, das kritisch zu sehen.
Wir können uns nicht über Spiele in Autokratien aufregen und unseren Hut gar nicht mehr in den Ring werfen.Quelle: Holger Gertz, Reporter bei der Süddeutschen Zeitung
SWR Aktuell: Sie haben pro und contra Olympische Spiele in München und in Deutschland aufgezählt. Sie selbst berichten seit Jahren über das Thema Olympia. Wie sehen Sie es persönlich? Kann man das moralisch vertreten mit dem IOC, so wie es ist, Olympia in Deutschland?
Gertz: Es ist wahnsinnig schwierig. Wir können ja nicht immer uns darüber aufregen, dass die Spiele in Autokratien stattfinden und sonst wo – und wir selber werfen aber den Hut gar nicht mehr in den Ring. Das zweite ist, dass es so einen Impuls gibt auch für Sport in einer Gesellschaft. Das ist zum Beispiel 2012 in London so gewesen, da hat man gemerkt, dass bis heute diese Olympischen Spiele für den Breitensport relativ wichtig sind. Aber es gibt natürlich immer auch da wieder Gegenargumente, das ist die Kostenfrage, wir wissen noch gar nicht, was auf uns zukommt.
Ein Beispiel ist auch die Hoffnung, die man mit Olympia verbindet. Das ist 2024 so gewesen, in Paris. Da war es auch so, dass man gesagt hat, das ist für das zerklüftete Land Frankreich ja auch so ein Identifikationsmoment, dass man Olympische Spiele austrägt. Und dann haben wir 2024 die Spiele in Paris gesehen, wir erinnern uns alle noch an die Bilder, Céline Dion auf dem Eiffelturm.
Es waren wirklich fantastische Spiele, ich bin selbst dort gewesen. Und dann fragt man sich, was bleibt denn von Olympia? Hat das denn wirklich was gebracht für die Gesellschaft? Und dann stellt man fest, ein Jahr später: Nein, die Gesellschaft ist genauso gespalten. Die Nationalversammlung ist gespalten, da treten sich Kräfte gegenüber, die gar nicht mehr miteinander ins Gespräch gehen können.
Man muss sich fragen: Lohnt es sich, so viel aufzuwenden für letztlich zwei, drei Wochen Spaß und Party?Quelle: Holger Gertz, SZ München
Und die Idee, die jetzt auch wieder so ein bisschen mitschwingt bei München, dass man da auch die Menschen wieder zusammenbringt. Das ist, glaube ich, einfach zu viel. Das schafft Olympia nicht mehr. Da muss man sich fragen: Lohnt es sich, so viel aufzuwenden für letztlich zwei, drei Wochen Spaß und Party? Ist das in Ordnung, dass man so viel aufbringt? Auch da gibt es wieder positive und negative Stimmen.
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